Gewinner des Klimawandels
Der Klimawandel bringt auch für die Natur einschneidende Veränderungen mit sich. Derzeit steigen die absoluten Sommertemperaturen an, während gleichzeitig die kalten Wintertage immer seltener werden oder ganz ausbleiben. Dies bringt gravierende Auswirkungen auf die Insektenfauna und auch auf die Wildbienen mit sich.
Klimawandel und Wildbienen: Gewinner und Verlierer unter den Arten
Bei den Wildbienen lassen sich dabei zwei Effekte beobachten. Vor allem Arten feuchter und kühler Biotope oder der Höhenlagen leiden unter den Veränderungen werden immer seltener. Für wärmeliebende Arten hingegen ist eine Hochzeit angebrochen. Viele profitieren stark von den großen klimatischen Umwälzungen unserer Zeit. Über diese soll hier berichtet werden. Natürlich gibt es auch Arten, die offenkundig unbeeinflusst vom Klima sind. Doch das sind nur wenige.
Forscher stellten die ersten Veränderungen in der Fauna bereits Mitte der 1990er Jahren fest. In Baden-Württemberg beispielsweise begannen die ersten wärmeliebenden Arten ihr angestammtes Areal im Oberrheingraben auszudehnen und die angrenzenden Keupergebiete im Raum Stuttgart zu besiedeln. Der Oberrheingraben zählte schon immer zu den wärmsten Lagen Deutschlands und beherbergte zahlreiche Arten, die sonst nur südlich der Alpen vorkommen. Während der 2000er Jahre setze sich diese Entwicklung fort und erreichte etwa ab dem Jahr 2015 eine nie dagewesene Dynamik und Geschwindigkeit.
Diese Arten profitieren von den wärmeren Tagestemperaturen, die ihnen eine längere Aktivitätszeit und damit die Anlage einer höheren Anzahl Nester ermöglichen. Ihre überzähligen Nachkommen verlassen im Folgejahr die angestammten Brutgebiete und besiedeln neue Areale nördlich ihrer bisherigen Heimat. Gleichzeit sorgen die ausbleibenden kalten Winter dafür, dass mehr Bienen den Winter überstehen und sich damit auch weiter im Norden etablieren können.
Ein Beispiel einer solchen Arealausweitung ist die Gelbbindige Furchenbiene Halictus scabiosae. Diese ehemals nur auf Südwestdeutschland beschränkte Wildbienenart erreichte Anfang der 2000er Jahre den Niederrhein, um 2010 die Elbe und konnte vor zwei Jahren im Rahmen unserer Erfassung für die Rote Liste auch in Hamburg nachgewiesen werden. Sie konnte somit in nur 20 Jahren von einem kleinen Areal in Südwestdeutschland aus das gesamte übrige Deutschland besiedelt. In Süd-und Mitteldeutschland ist sie inzwischen eine der häufigsten Wildbienenarten.
Ein zweite sehr auffällige Art mit dieser Dynamik ist die Efeu-Seidenbiene Colletes hederae. Sie wurde 1996 erstmalig in Deutschland nachgewiesen und war zuvor nur aus Oberitalien und Kroatien bekannt. Nach einer mehr als einem Jahrzehnt dauernden Etablierungsphase drängte sie nach Norden und erreichte 2019 erstmalig Berlin sowie Lüneburg. In Süd- und Mitteldeutschland ist sie im Herbst ebenfalls eine sehr häufige Wildbienenart und kann fast an jeden größeren Efeubestand beobachtet werden.
Neben diesen Beispielen gibt es unzählige weitere Bienenarten, die derzeit eine ähnliche Entwicklung durchmachen. Außerdem werden derzeit pro Jahr zwei bis drei Arten neu für unsere Fauna nachgewiesen, die entweder aus Mittelfrankreich oder aus Österreich nach Deutschland einwandern. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen.
Mehr als die Hälfte der Arten steht ja auf der Roten Liste bedrohter Tierarten. Kann nun Entwarnung für die Gefährdung unserer Wildbienen gegeben werden? Leider nein. Denn es zeichnet sich schon jetzt ab, dass nur ein Teil der Arten vom Klimawandel profitiert. Es sind vor allem Arten, die mit Stadtbiotopen und strukturarmen Lebensräumen zurechtkommen. Insbesondere die Nahrungsspezialisten unter den Bienen oder Habitatspezialisten wie Bewohner von Magerrasen tun sich sehr schwer und werden Jahr für Jahr seltener.
Rote Listen müssen natürlich an diese Dynamik angepasst werden, auch weil der Klimawandel bei der früheren Einschätzung der Gefährdungssituation noch keine Rolle spielte. Daher bleibt der Schutz von Lebensräumen und vor allem die Förderung von Blüten als Nahrungsressourcen der Bienen eine vordringliche Aufgabe. Denn ohne Pollen und Nektar können sich auch wärmeliebende Arten nicht vermehren.
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