Wildbienenkartierung

Die Untersuchungen erfolgen auf zwei Arten: Bei der qualitativen Erfassung wird das gesamte Untersuchungsgebiet abgegangen, bei der quantitativen Erhebung nur ein vorher bestimmtes Transekt (= Untersuchungskorridor). Ziel der qualitativen Untersuchung ist es, Wildbienenarten im gesamten Gebiet zu ermitteln. Bei der quantitativen Untersuchung wollen wir herausfinden, wie viele Wildbienenarten und -individuen sich im betrachteten Abschnitt aufhalten.

An fünf Terminen zwischen April und August werden die einzelnen Projektflächen jeweils begangen. Dabei suchen wir die Flächen nach Nist- und Nahrungsstrukturen ab und bestimmen alle Tiere, die wir sichten. Dafür fangen wir sie kurzzeitig mit einem Insektennetz und lassen sie nach der Bestimmung wieder frei.

Viele Wildbienenarten lassen sich allerdings nur unter einem Binokular eindeutig erkennen. Diese Tiere sammeln und präparieren wir, um sie bei 20- bis 80-facher Vergrößerung eindeutig bestimmen zu können. Für genetische Untersuchungen wird von jeder Bienenart außerdem eine Gewebeprobe aus dem Mittelbein, bei Hummeln aus dem Vorderbein, entnommen. Die Belegtiere bleiben in der Sammlung des Gutachters.

Aufbauend auf den Ergebnissen solcher Untersuchungen lassen sich auch die „Roten Listen (gefährdeter Arten)“ erstellen, die Informationen über den Gefährdungsgrad von Tieren und Pflanzen geben und ein Bild über die biologische Vielfalt in Deutschland vermitteln. In Hamburg erstellt die Deutsche Wildtier Stiftung aktuell eine Rote Liste für Wildbienen und Wespen. In Berlin untersuchen wir zusätzlich die Vegetation, um zu überprüfen, in welchem Maße wir die Qualität und Quantität des Nahrungsangebots für Bestäuber erhöhen konnten.

Nicht zuletzt sind die Ergebnisse der Kartierungen für uns auch eine politische Argumentationsgrundlage, mit der wir den Erfolg unseres Projektes widerspiegeln können.

Ergebnisse des Wildbienen-Monitorings in Berlin

In Berlin kartieren wir auf unseren Projektflächen bereits seit 2018 Wildbienen. Im ersten Jahr untersuchten wir fünf Projektflächen im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, um zunächst den Zustand vor der Umsetzung der geplanten Maßnahmen festzuhalten. Auf Basis der Ergebnisse passten wir unsere Maßnahmen entsprechend an und führten das Wildbienen-Monitoring auf diesen, sowie zehn weiteren Projektflächen in den Jahren 2019 bis 2022 fort. 2023 kamen neun weitere südöstlich gelegene Flächen dazu.

2019

Der Experte hat insgesamt 92 verschiedene Arten gefunden – ein erfreulich hohes Ergebnis. Sieben der Arten werden auf der Roten Liste Berlins und neun auf der Roten Liste Deutschlands als gefährdet eingestuft. Zehn bzw. elf Arten stehen auf den Vorwarnlisten von Berlin bzw. Deutschland.

Eine herausragende Art ist die in Deutschland stark gefährdete Blattschneiderbiene Megachile ligniseca, die am Tegeler Weg gefunden wurde. Am Wriezener Bahnhof traten die in Berlin stark gefährdeten Arten der Blutbiene Sphecodes cristatus und der Blattschneiderbiene Megachile pilidens auf. Außerdem wurde die vom Aussterben bedrohte Goldfurchenbiene Halictus submediterraneus gefunden – eine sehr schöne Art, die sich durch einen golden schimmernden Hinterleib und smaragdgrüne Facettenaugen auszeichnet.

Ein besonderes Highlight der Untersuchung in 2019 war jedoch die Stängel-Löcherbiene Heriades rubicola. Sie wurde erst 2017 zum ersten Mal für Deutschland nachgewiesen, auch in Berlin. Am Wriezener Bahnhof besaß sie eine individuenstarke Population.

2020

Auf 14 Projektflächen wurden 87 Wildbienenarten nachgewiesen. Da die untersuchten Flächen erweitert wurden, wären eigentlich höhere Zahlen als im Vorjahr zu erwarten gewesen. Stattdessen ist die Artenanzahl leicht gesunken.

Grund dafür sind vermutlich die Baumaßnahmen nahe des Wriezener Parks, in deren Folge der ökologische Wert dieser sehr wertvollen Projektfläche sank und es hier zu einem hohen Artenverlust, auch stark gefährdeter Arten, kam (von 58 Arten in 2019 auf 16 Arten in 2020). Die der Projektfläche angrenzenden wertvollen Ruderalfluren wurden durch eine naturferne Neukonzipierung des Parks von Seiten des Bezirks entfernt und durch monotone Rasenflächen ersetzt.

2021

Insgesamt wurden 1100 Individuen ausgewertet und 103 Wildbienenarten bestimmt – davon sind elf auf der Roten Liste Deutschlands als gefährdet klassifiziert.

Die detaillierte Auswertung der Daten zeigt, dass die Blühflächen eine essenzielle Funktion in der Förderung und im Schutz von Wildbienen in Berlin erfüllen. Die Zusammensetzung der Pflanzenarten in der Blühmischung erweist sich ebenfalls als wirksam, da 22 oligolektische (spezialisierte) Bienenarten nachgewiesen wurden. Ein Großteil dieser Arten nutzt die Pflanzenarten der Blühmischung gezielt zur Pollenaufnahme.

2022

Die nachgewiesene Artenzahl der ausgewählten Projektflächen stieg auf 157 an, von denen 24 Wildbienenarten als bundesweit gefährdet eingestuft werden. Die Gesamtauswertung des Wildbienen-Monitorings in dem Zeitraum von 2019 bis 2022 umfasst zudem 29 oligolektische (spezialisierte) Bienenarten, wovon ein Großteil gezielt die Pflanzenarten der ausgebrachten Blühmischung zur Pollenaufnahme nutzen.

2023

Ergänzend zu den innerstädtischen Wildbienenkartierungen fand das Monitoring auch auf neun Projektflächen in den östlichen und südlichen Randbezirken Berlins statt. Während der Sommermonate konnten hier insgesamt 112 Wildbienenarten nachgewiesen werden, darunter elf Arten, die bundesweit gefährdet sind. Zusätzlich wurden 13 Arten erstmalig auf den Projektflächen gefunden, was die Gesamtzahl der nachgewiesenen Arten auf 170 erhöht. Dies entspricht etwa 70 Prozent der aktuell in Berlin registrierten Arten.

Besonders interessant sind die Entdeckungen seltener Bienenarten wie die Mauerbienen Osmia spinulosa und O. bicolor, die in Schneckenhäusern leben und typisch für die Stadtrandlage sind. Gleiches gilt für die Knautien-Sandbiene Andrena hattorfiana, die auf reich strukturiertes Grünland angewiesen ist und inzwischen selten geworden ist. Ebenso bemerkenswert ist die Graubiene Rhophitoides canus, ein seltener Luzernespezialist, der offene Brachflächen und artenreiche Wiesen besiedelt.

Die Ergebnisse verdeutlichen die Bedeutung von Blühflächen in Randbezirken für den Schutz und die Förderung der Vielfalt von Wildbienen. Die Deutsche Wildtier Stiftung leistet somit einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz und bietet Erkenntnisse für den Erhalt der Biodiversität in städtischen Gebieten.

  • Die Feld-Wespenbiene (Nomada goodeniana) parasitiert unter anderem bei der Grauen Sandbiene (Andrena cineraria) und wurde 2023 zum ersten Mal auf den Projektflächen nachgewiesen. Foto: Johan Leurelle.

  • Die Frühe Doldensandbiene (Andrena proxima) ist auf den Pollen von Doldenblütlern spezialisiert und wurde ebenfalls erstmalig auf unseren Blühflächen erfasst. Foto: Johan Leurelle.

  • Erfreulich war ein Fund derKnautien-Sandbiene Andrena hattorfiana, die auf reich strukturiertes Grünland angewiesen und inzwischen selten geworden ist. Foto: C. Künast.

    Ergebnisse der Wildbienen-Kartierungen in Hamburg

    Teilprojekt „Blühende Haltestellen“

    Im Rahmen einer zunächst auf drei Jahre begrenzten Machbarkeitsstudie ließen wir ab Herbst 2020 Grünflächen im Umfeld von vier Haltestellen (Burgstraße, Ohlsdorf, Schlump und Sternschanze) zu Blühflächen für Wildbienen und andere Insekten umgestalten und begleiteten deren Entwicklung.

    Das Projekt war in vielerlei Hinsicht ein voller Erfolg. So zeigte die Untersuchung eines beauftragten Wildbienenexperten im Jahr 2022 erfreuliche Ergebnisse. Er konnte 1.863 Tiere nachweisen, die er 61 Wildbienen- und 54 Wespenarten zuordnete, darunter eine in Hamburg noch nie nachgewiesene Grabwespenart. Die Befunde zeigten, dass auch kleine Standorte mit entsprechender Biotopausstattung sehr wertvolle Lebensräume für Wildbienen und Wespen in der Stadt sein können und damit wesentlich zur Entwicklung von Wildbienenpopulationen beitragen.

    Die von uns umgestalteten Flächen erweitern den Biotopverbund und ermöglichen eine Ausbreitung der Arten. Vergleichbare blütenreiche Standorte sollten unbedingt verstärkt angelegt, weiter gefördert und als Wildbienenbiotope im städtischen Raum gepflegt und entwickelt werden. Sie leisten einen wertvollen Beitrag zur Förderung der Artenvielfalt der Insektenfauna in der Stadt.

    Teilprojekt „Begrünte Fahrgastunterstände“

    Es ist eine Kooperation des Unternehmens Wall GmbH und der Deutschen Wildtier Stiftung und ein in Deutschland bislang einzigartiges Projekt: Erstmals wurde der ökologische Mehrwert kleiner Gründächer auf Bushaltestellen in Großstädten wissenschaftlich untersucht. Wir konnten dabei 49 verschiedene Wildbienen- und Wespenarten auf nur zwei begrünten Fahrgastunterständen in Hamburg nachweisen. Darunter seltene und bedrohte Arten sowie eine Wespenart, die zuvor noch nie in der Hansestadt gefunden wurde.

    Das Fazit der ersten Projektphase: Gründächer auf Bushaltestellen können neue Lebensräume für Insekten selbst in verdichteten urbanen Stadträumen schaffen. Aufgrund dieser durchgehend positiven Ergebnisse erweitert die Wall GmbH das Projekt 2024 um zusätzlich fünf begrünte Fahrgastunterstände in Hamburg. Unser Expertenteam wird erneut die Pflanzungen begleiten und die wissenschaftlichen Erhebungen durchführen.

    Teilprojekt „Hagenbecks Tierpark“

    Im Jahr 2019 wurden am Tierpark Hagenbeck spezielle Untersuchungen zur Erfassung der Artenvielfalt der Bienen- und Wespenfauna durchgeführt. Dabei wurden verschiedene Standorte innerhalb des Parks untersucht, darunter Bereiche im Besucherpark, im privaten Teil des Parkgeländes sowie in ungenutzten oder teilweise extensiv genutzten Eigenwirtschaftsflächen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen offenbarten eine bemerkenswert hohe Vielfalt an Wildbienen- und Wespenarten in diesem Gebiet.

    Im Vergleich zu ähnlichen Untersuchungen sind derzeit nur zwei Gebiete in Hamburg bekannt, die eine etwas höhere Artenzahl aufweisen. Dies unterstreicht die Bedeutung des Tierparks Hagenbeck als Lebensraum für eine vielfältige Insektenpopulation, insbesondere für Wildbienen und Wespen. Diese Ergebnisse bieten nicht nur Einblicke in die Biodiversität innerhalb des Parks, sondern liefern auch wertvolle Informationen für den Schutz und die Erhaltung dieser wichtigen Insektenarten in städtischen Umgebungen.

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