Wildbienen und Honigbienen – Konkurrenz um knappe Ressourcen

Die Nahrungskonkurrenz zwischen der Honigbiene und den verschiedenen Wildbienenarten ist ein intensiv diskutiertes Thema im Naturschutz. Befördert wird die Debatte durch die stark zunehmende private Imkerei in Städten sowie den zunehmenden Verlust an Nahrungsressourcen für die Erwerbsimkerei in der freien Landschaft. Bereits seit langem wird darauf hingewiesen (z.B. EVERETZ 1993, 1995), dass die Nahrungsquellen von Wildbienen durch Honigbienen stellenweise zu stark ausgebeutet und die Wildbienen daher in ihrem Fortpflanzungserfolg geschädigt werden können (GESLIN et. al. 2018).

URSACHEN UND FOLGEN DER KONKURRENZ

Die Honigbiene ist eine vollständig domestizierte Art mit mehrjähriger sozialer Lebensweise (Bienenstock). Das Volk umfasst bis zu 50.000 Bienen. Ihre wilde Stammform ist in Europa vermutlich ausgestorben.

Vielerorts sind die Bestände der Honigbiene durch die imkerliche Nutzung gegenüber natürlichen Verhältnissen stark erhöht. Durch den extrem hohen Nektar- und Pollenbedarf eines Honigbienenvolkes können Wildbienenpopulationen negativ beeinflusst werden. Pro Jahr sammelt ein Honigbienenvolk durchschnittlich 120 – 180 kg Nektar und bis zu 30 kg Pollen. Bei guten Verhältnissen sind dies sogar bis zu 60 kg Pollen pro Jahr.

Weiterhin besitzen Honigbienen gegenüber den Wildbienen eine Vielzahl an Eigenschaften, die ihnen beim Nektar- und Pollensammeln einen Vorteil verschaffen. Sie können durch den Einsatz von Kundschafterbienen schneller vielversprechende Nektar- und Pollenquellen auffinden und die Lage über ihre Tanzsprache kommunizieren. Im Vergleich zu einem Großteil der Wildbienen kann die Honigbiene aufgrund ihrer Futtervorräte Schlechtwetterperioden überdauern und durch die Wärme im Bienenstock früher am Tag ihre Sammeltätigkeit beginnen. Ausnahmen bilden hier die Hummeln und einige weitere Wildbienenarten, die schon bei sehr geringen Temperaturen ausfliegen. Wildbienen fliegen in Abhängigkeit ihrer Körpergröße ungefähr in einem Radius von 1 km um ihre Nest auf der Suche nach Nahrung. Honigbienen können in einem Radius von bis zu 10 km um ihren Stock herum auf Nahrungssuche gehen

Ein großer Teil der Wildbienen ist bei der Wahl der Nahrungspflanzen auf den Pollen bestimmter Pflanzenfamilien oder sogar –arten spezialisiert. Honigbienen sind hingegen Generalisten, die unterschiedliche Pflanzenarten und Familien als Pollenquelle nutzen. Die geringe Spezialisierung führt dazu, dass Honigbienen zu einem großen Anteil die gleichen Nahrungspflanzen nutzen wie viele Wildbienenarten. Bei einer zusätzlichen hohen Dichte der Honigbiene, kann das Pollen- und Nektarangebot so stark reduziert werden, dass die Wildbienen auf andere Nahrungsquellen ausweichen müssen. Wenn in unmittelbarer Nähe keine alternativen Nahrungspflanzen vorhanden sind oder nur in geringen Mengen vorkommen, kann das Wildbienenweibchen nur noch wenige und kleiner Nachkommen produzieren, was den lokalen Bestand der Art beeinflussen kann.

Weiterhin führt das verringerte Nahrungsangebot dazu, dass die Wildbienenweibchen weitere Strecken zur Nahrungsbeschaffung aufnehmen müssen und länger von ihrem Nest fernbleiben. Damit wird die Wahrscheinlichkeit, dass Parasiten die Brutzellen befallen, stark erhöht.

Zusammengefasst

  • Wildbienen und Honigbienen nutzen dieselbe Nahrungsressource, nämlich Pollen und Nektar von Blütenpflanzen.
  • Honigbienen sind sehr konkurrenzstark und verdrängen nachweislich selbst große Wildbienenarten von den Blüten (EVERTZ 1993, LINDSTRÖM, A.M. ET. AL. 2013). Zudem verfügen sie über Strategien, Blüten sehr effizient auszunutzen.
  • In Lebensräumen mit knappen Nahrungsressourcen ist es somit sehr wahrscheinlich, dass hohe Dichten an Honigbienen die Wildbienenpopulationen schädigen und deren Bruterfolg mindern.
  • Die Situation knapper Ressourcen besteht überall dort, wo Wildbienenpopulationen in kleinflächigen Lebensräumen mit eingeschränktem Angebot an Blütenpflanzen vorkommen. Dies trifft auf viele kleinflächige Naturschutzgebiete, kleinflächige Agrarhabitate, trockenwarme Sonderstandorte (der bevorzugte Lebensraum vieler Wildbienenarten) sowie städtische Biotope zu.
  • Im späteren Jahresverlauf wird eine Überlappung bei der Ressourcennutzung von Honig- und Wildbienen wahrscheinlicher. Nach Abblühen der Massentrachten wenden sich die Honigbienen oft verstärkt kargeren Trachten zu, die bis dahin vor allem von Wildbienen angeflogen wurden.

FORSCHUNGSBEDARF

Obwohl es zahlreiche Indizien und Metastudien zum Thema Nahrungskonkurrenz gibt, sind direkte Studien, die diese Konkurrenz belegen, eher rar gesät. Vor allem fehlen genaue Untersuchungen zum quantitativen Nahrungsbedarf von Wildbienen. Die Deutsche Wildtier Stiftung ist sich dieser Defizite sehr wohl bewusst. Dennoch geht die Deutsche Wildtier Stiftung aufgrund zahlreicher Indizien und Daten davon aus, dass die Konkurrenz besteht und ein ernstzunehmender Gefährdungsfaktor für Wildbienen in bestimmten Lebensräumen darstellen kann. Die Deutsche Wildtier Stiftung hat sich dem Schutz wildlebender Tiere verpflichtet und stellt das Wohl von Wildbienen an erste Stelle.

DIE POSITION DER DEUTSCHEN WILDTIER STIFTUNG GEGENÜBER DER IMKEREI

  • Die Deutsche Wildtier Stiftung sieht in der Imkerei einen wichtigen Verbündeten bei dem Ziel, die Vielfalt und Anzahl von Blütenpflanzen in Stadtbiotopen sowie in der Agrarlandschaft – hier auch durch Änderungen der agrarpolitischen Rahmenbedingungen – zu erhöhen.
  • Die Imkerei stellt ein wichtiges Kulturgut dar und bringt zudem viele Menschen mit Natur und damit auch mit ihrem Schutz in Verbindung.
  • Da die Honigbienenhaltung einer Nutztierhaltung entspricht, gilt in der Naturschutzplanung das Vorsorgeprinzip. Bei Nutzungskonflikten müssen die Imker – wie andere Landnutzer auch – den Nachweis erbringen, dass Honigbienen keine Auswirkungen auf die Entwicklung von Wildbienenpopulationen haben, bevor sie natursensible Gebiete wie Naturschutzgebiete nutzen.
  • Die Deutsche Wildtier Stiftung möchte die Imkerei auf wissenschaftlicher Grundlage auf einen Konflikt aufmerksam machen und einen Beitrag zum Erarbeiten von Lösungen leisten.
  • Die Imkerei ist ein Wirtschaftsfaktor, der per se keinen Naturschutz betreibt. Die Honigbiene ist ein „Nutztier“ und damit keine bedrohte und damit schützenswerte Art. Die Honigbiene in ihrer Urform als wildlebende und ehemals einheimische Art ist ausgestorben. Eine Rückzüchtung sieht die Deutsche Wildtier Stiftung als unrealistisch an.

Konkrete Forderungen

Die Nahrungskonkurrenz tritt immer dann auf, wenn das Blütenangebot für alle Bienen zu gering ist. Die Gefährdung von Wildbienen durch Honigbienen hängt dabei im Wesentlichen von a) dem Standort bzw. von der vorherrschenden Vegetation und b) der Honigbienendichte ab.

Daher sind besonders in Naturschutzgebieten, in kleinflächigen Agrarhabitaten, auf trockenwarmen Sonderstandorten und damit dem bevorzugten Lebensraum vieler Wildbienenarten sowie bei wertvollen städtischen Biotopen folgende Maßnahmen zum Schutz von Wildbienen
zu ergreifen:

  • Zur Entschärfung der Konkurrenz muss das Blühangebot sowie die Strukturvielfalt sowohl in Städten als auch in der Agrarlandschaft deutlich erhöht werden. Insbesondere mit Blick auf die Agrarlandschaften sind daher gemeinsame Forderungen von Naturschutz und Imkerei zu entwickeln und zu erheben.
  • Honigbienenvölker sollten mit einem Abstand von mindestens drei Kilometern zu besonders wertvollen Wildbienenlebensräumen aufgestellt werden (EVERTZ 1993,
    1995; STEFAN-DEWENTER & TSCHARNKTE 2000). Dies betrifft isolierte Naturschutzgebiete in der freien Landschaft. Diese Entfernungsempfehlung stellt einen Kompromiss dar und resultiert aus dem durchschnittlichen Sammelradius der Honigbienen bzw. der Entfernung, die diese noch ohne Probleme überbrücken können (EVERTZ 1993, 1995; BURGER 2018; PYKE & BALZER 1985; SHAVIT et al. 2009; GOULSON & SPARROW 2009).
  • Der Deutschen Wildtier Stiftung ist bewusst, dass ein pauschaler Abstand zu Naturschutzgebieten in Städten das Imkern per se verhindern würde. Das ist nicht das Ziel der Stiftung. Jedoch muss auch in städtischen Gebieten ein verantwortungsbewusstes Management der Honigbienen-Dichte umgesetzt werden (ROPARS et. al. 2019), indem zu hohe Dichten an Honigbienenvölkern in der Nähe wertvoller Habitate vermieden werden. Für genaue Empfehlungen, welche Dichten in Städten tolerierbar
    sind, besteht weiterhin Forschungsbedarf.

Literatur

BURGER, R. (2018): Wildbienen first – unsere wichtigsten Bestäuber und die Konkurrenz mit dem Nutztier Honigbiene. Pollichia-Kurier 34(2): 14-19.

EVERETZ, S., 1993: Untersuchungen zur interspezifischen Konkurrenz zwischen Honigbiene (Apis melifera) und solitären Wildbienen (Hymenoptera Apoidea).Aachen, Shaker.

EVERETZ, S., 1995: Untersuchungen zur interspezifischen Konkurrenz zwischen Honigbiene (Apis melifera) und solitären Wildbienen (Hymenoptera Apoidea).Nat, Landsch. 70: 165 – 172.

GARRIBALDI ET AL. 2013: Wild Pollinators Enhance Fruit Set of Crops Regardless of Honey Bee Abundance. Science 339, 1608

GESLIN, B.; BAUDE, B.G.M.; DAJOZ, I.; FONTAINE, C. (2017): Massively introduced managed species and their consequences for plant-pollinator interactions. Advances in Ecological Research 57: 147-199

GOULSON, D.; SPARROW, K., 2009: Evidence for competition between honeybees and bumble-bees; effects on bumblebee worker size. J.InsectConserv. 13: 177-181.

LINDSTRÖM, A.M. ET. AL. 2013: Experimental evidence that honeybees depress wild insect densities in a flowering crop. Proc. R. Soc. B. 283, rspb.royalsocietypublishing.org.

PYKE, G.H.; BALZER, L., 1985: The effects of the introduced honeybee (Apis melifera) on Aus-tralian native bees. New South Wales National Park and Wildlife Service Occasional Paper 7: 1 – 52.

ROPARS, L.; DAJOZ, I.; FONTAINE, C.; MURATE, T.A. & GESLIN, B. (2019): Wild pollinator activity negatively related to honey bee colony densities in urban context. PLoS ONE 14(9): e0222316. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0222316

STEFFAN – DEWENTER, I.; TSCHARNTKE, T., 2000: Resource overlap and possible competition between honey bees and wild bees in Central Europe. Oecologia 122: 288 – 296.

SHAVIT, O.;DAFNI, A.; NE’EMAN, G., 2009: Competition between honeybees (Apismelifera) and native solitary bees in the Mediterranean region of Israel – Implications for conserva-tion. Isr. J. Plant Sci. 57: 171 – 183.

WESTRICH, P. 2011: Rote Liste und Gesamtartenliste der Bienen (Hymenoptera, Apidae) Deutschlands. In: Binot-Hafke, M.; Balzer, S.; Becker, N.; Gruttke, H.; Haupt, H.; Hof-bauer, N.; Ludwig, G.; Matzke-Hajek, G. & Strauch, M. (Red.): Rote Liste gefährdeter Tie-re, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Band 3: Wirbellose Tiere (Teil 1). – Münster (Landwirtschaftsverlag). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (3): 373-416