Frühlings-Seidenbiene – die Wildbiene des Jahres 2023

Wer Kenntnisse zu Arten und ihren Lebensräumen hat, versteht sie auch zu schätzen. Und wer etwas zu schätzen versteht, weiß es auch zu schützen. Aus diesem Grund kürt das Kuratorium des Wildbienen-Katasters (WBK) seit 2013 die „Wildbiene des Jahres“. Hierbei wird jedes Jahr eine besonders spannende Art ausgewählt, die Bürgerinnen und Bürgern einen Einblick in die große Welt der kleinen Insekten ermöglichen soll.

In diesem Jahr fiel die Auswahl auf eine Biene, die wir hoffentlich schon sehr bald zu Gesicht bekommen werden. Denn neben den ersten Hummeln und Honigbienen beginnt die Flugzeit einer weiteren Wildbiene bereits im März: die Frühlings-Seidenbiene (Colletes cunicularius)! Der Name verrät es bereits: Sie ist in Deutschland nicht nur die größte Art ihrer Gattung, sondern auch die, die am frühesten von allen unterwegs ist.

Während ihr Schwärmverhalten an den Nistplätzen stark auffällt (siehe Video), ist die Art vom Aussehen her eher unscheinbar. Auf den ersten Blick erinnert sie von der Größe und Färbung her an eine Honigbiene. Doch wer genau hinsieht, erkennt, dass die Hinterbeine von Honigbienen glänzen und verbreitert sind, während die Weibchen der Frühlings-Seidenbiene eine dichte Beinbürste zum Pollentransport haben. Im Gegensatz zu anderen Arten ihrer Gattung hat C. cunicularius weniger ausgeprägte Haarbinden auf dem Hinterleib und ist leicht durch die Flugzeit und Größe erkennbar. An der Brust frisch geschlüpfter Tiere findet sich eine rostbraune Behaarung, die mit der Zeit heller wird. Vor allem bei den Männchen sind Kopf und Brust heller behaart als bei den etwas größeren Weibchen. Der Chitinpanzer beider Geschlechter ist schwarz.

Biologie der Frühlings-Seidenbiene (Colletes cunicularius)

  • Familie

    Colletidae (Urbienen)

  • Körpergröße

    11 – 14 Millimeter

  • Flugzeit

    In einer Generation von Mitte März bis April (Männchen), beziehungsweise Mai (Weibchen). Die Überwinterung findet als Imago statt.

  • Verbreitung

    Die Frühlings-Seidenbiene ist weit verbreitet und mäßig häufig. Sie ist in sandigen Gebieten im Flachland und bis zu 800 Metern über dem Meeresspiegel anzutreffen, stellenweise mit sehr hohen Populationsdichten.

  • Nistweise

    Zwar leben Frühlings-Seidenbienen solitär, doch an geeigneten Standorten können sie Aggregationen (Kolonien) von mehreren hundert Nestern bilden. Die Weibchen suchen sich nach der Paarung im März eine möglichst ebene, vegetationsarme Stelle im Boden um ihr Nest zu graben (lat. cunicularius = Stollengräber). Hierfür werden zwei bis sechs Brutkammern in einer Tiefe von bis zu 50 Zentimetern im Sand- oder Lössboden angelegt, die über sechs Wochen lang mit Pollen versorgt werden. Die Nester werden außerdem mit einem Sekret ausgekleidet, welches nach der Trocknung seidig glänzt, woher auch der Name der Gattung stammt. Die Larven entwickeln sich im Boden und schlüpfen im kommenden Frühjahr.

    Als Pionier-Art können die Weibchen schnell neue Lebensräume, wie beispielsweise in Flussauen, erschließen. Sie ist daher regelmäßig in flussnahen Sand- und Kiesgruben, mageren Wiesen, Feldfluren, Hochwasserdämmen und Küstendünen anzutreffen. In den letzten Jahren wurden auch vermehrt Nester in Siedlungsräumen, wie in sandigen Bahndämmen, Sandkästen von Spielplätzen oder gar in Sandgruben auf Sportplätzen vorgefunden.

  • Ernährung

    C. cunicularius ist eine eingeschränkt polylektische Art, sammelt ihren Pollen also bei mehreren Pflanzenfamilien, mit starker Bevorzugung von Weidenblüten (Salix).

  • Kuckucksbienen

    Als Kuckucksbiene ist die Riesen-Blutbiene (Sphecodes albilabris) bekannt.

  • Gefährdung und Schutz

    In Deutschland wird die Art als ungefährdet eingestuft, in Sachsen gilt sie jedoch bereits als gefährdet.

    Gehölze wie Weiden, Ahorn oder Apfel bieten bereits früh im Jahr ausreichend Pollen und Nektar. Der Verlust von Nisthabitaten ist dagegen problematischer. Die Seidenbienen sind allmählich immer häufiger im Siedlungsraum anzutreffen und werden hier nicht immer gerne gesehen. Die Tiere werden oft mit Honigbienen verwechselt, doch was man hier sieht sind Kolonien mehrerer Nester und keinen Staat. Diese Verwechslung führt gerade bei Spiel- und Sportplätzen zu Unsicherheiten, doch die Seidenbienen sind äußerst friedfertig und belästigen Menschen keinesfalls.

Was können Sie tun?

Gerade für frühfliegende Insekten ist ein ausreichendes Nahrungsangebot im März wichtig, die Pflanzung von Obstbäumen und Weidengehölzen im eigenen Garten kann hier Abhilfe schaffen. Hier finden Sie eine Liste wildbienenfreundlicher Gehölze zum Download.

Im Garten oder auf dem Balkon kann man sein Wildbienenhotel auch durch Sandarien für unterirdisch nistende Bienen ergänzen. Für viele Arten ist eine Nisthilfe aus Lehm und Sand bereits ausreichend. Eine Anleitung hierzu von Dr. Christian Schmid-Egger finden Sie in diesem Video.

Übrigens: sollte man Nester der geschützten Seidenbienenart an häufig frequentierten Orten in der Stadt vorfinden, so wäre eine temporäre Absperrung (beispielsweise durch Flatterband und Holzpflöcke) zum Schutze der Tiere ratsam. Die Kennzeichnung sollte sechs Wochen bleiben, anschließend sind die Nachkommen versorgt und die Nester verschlossen.

Mehr Informationen zur „Wildbiene des Jahres“ und dem Wildbienen-Kataster finden Sie hier.

  • Die kleineren Männchen der Frühlings-Seidenbiene haben eine etwas hellere und weniger dichte Behaarung als die Weibchen.

  • Die Weibchen graben ihre Nester selbst und bevorzugen hierbei sandiges Substrat.

  • Bereits im März herrschen Frühlingsgefühle bei Colletes cunicularius.

  • Besonders auffällig sind die hohen Indiduenzahlen beim Schwärmen der Männchen, die bereits einige Tage vor den Weibchen schlüpfen.

Credit und Copyright:

Foto 1 und 2: Hermann Timmann

Foto 3 und 4: Lukas Large / CC-BY-SA-2.0 / Link zum Original