Gemietete Nektarsammler
Am 16. September erschien in der Berliner Woche ein Beitrag zu dem Thema „Gemietete Nektarsammler“. Hier wurde das Projekt eines Imkers vorgestellt, der Honigbienen an Bürger_innen „vermietet“.
Mietbienen sind eine originelle Idee. Leider kann man das nicht von der Begründung sagen, mit der der Imker seine Bienen vermietet. Denn in dem Beitrag wird gesagt, dass der Bestand der Bienen in den letzten Jahren dramatisch zurückgegangen sei und dass Bürger_innen mit dieser Mietaktion dem Bienensterben entgegen wirken können. Wir teilen diese Ansicht keinesfalls und möchten dazu gerne Stellung beziehen.
In Europa gehört die Honigbiene nur zu einer einzigen Art (Apis mellifera), deren Wildform bei uns ausgestorben ist. Sie ist nur in der Obhut eines Imkers überlebensfähig. Da sich der Artikel nur auf die Honigbiene bezieht, ist er folglich so zu verstehen, dass die Honigbiene in ihrem Bestand bedroht ist und gefördert werden muss. Das ist aber schlichtweg falsch. Die Honigbiene ist ein Nutztier, das aktuell eine der häufigsten und am weitesten verbreiteten Insektenarten auf der Welt darstellt.
Allein in Deutschland nimmt die Zahl der Honigbienenvölker und Imker durch die weit verbreitete Stadtimkerei in den letzten Jahren stetig zu. Auch in Berlin ist das der Fall. Schätzungen gehen von über 11.000 Honigbienenvölkern in der Hauptstadt aus. Dazu kommt noch die Wanderimkerei, die jeden Sommer weitere Bienenvölker nach Berlin bringt. Selbst der Deutsche Imkerbund warnt inzwischen davor, dass die Bienendichte in Berlin viel zu hoch sei. Dies gilt allerdings nur für die Honigbiene und nicht ihre wilden Verwandten.
Wirklich gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits verschollen sind hingegen die wilden Verwandten der Honigbiene, die Wildbienen. Das sind aber keine „wilden Honigbienen“, sondern eigene Arten, die als Wildtier vollkommen unabhängig vom Menschen leben. In Deutschland gibt es 585 Wildbienenarten, in Berlin sind davon immerhin 322 Arten bekannt. Die meisten leben solitär, sind also vollkommen selbstständig und haben kein „Volk“, wie die Honigbiene. Alle Bienenarten sind wichtig für die Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen. Wildbienen und andere bestäubende Insekten wie Fliegen, Käfer und Schmetterlinge nehmen aber eine viel wichtigere Rolle bei der Bestäubungsleistung ein als die Honigbiene, wie neuere Studien zeigen. Die Honigbienen gefährdet sogar durch ihre hohe Abundanz (=Häufigkeit) den Bruterfolg der anderen bestäubenden Insekten. Sie alle konkurrieren um dieselbe Nahrungsressource, den Nektar und Pollen von Pflanzen. Ein Honigbienenvolk mit bis zu 50.000 Arbeiterinnen sammelt dabei deutlich mehr Pollen als die Population einer gefährdeten Wildbienenart mit vielleicht 40 bis 100 Tieren vor Ort.
Somit fördert man keinesfalls die Biodiversität Berliner Bienen, wenn man Honigbienen mietet und auf das eigene Hausdach, den Balkon oder in den Garten stellt. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die nahezu unkontrollierte Honigbienenhaltung gefährdet die Artenvielfalt und trägt im Extremfall aktiv zum Rückgang der Wildbienen bei. Der Druck, der durch die Honigbiene auf Wildbienen ausgewirkt wird, ist enorm hoch. Dieser Zustand verschlimmert sich zudem durch den hohen Lebensraumverlust für wilde Tiere, der wie der Artikel richtig darstellt, eine der Hauptursachen für den starken Rückgang der Bienenpopulation ist.
Um die Artenvielfalt im städtischen (und ländlichen) Raum zu fördern, sollte der Konkurrenzdruck nicht weiter erhöht werden, indem immer mehr Honigbienenvölker in die Stadt gebracht werden. Vielmehr muss daran gearbeitet werden, dass wir die noch bestehenden Lebensräume erhalten und fördern, um eine ökologisch wertvolle und abwechslungsreich strukturierte Landschaft auch im Siedlungsbereich zu ermöglichen. Außerdem wichtig ist ein ausreichendes und vielfältiges Nahrungsangebot in Form von Blüten.
Wer Wildbienen fördern will, kann dies mit wildbienenfreundlichen Kräutern und Stauden im Garten oder auf dem Balkon sowie mit der Anlage von Nistsubstraten gut erreichen. Wildbienen benötigen dafür offene Bodenstellen, altes Holz, Pflanzenstängel und vieles mehr. Etwas „Unordnung“ im Garten trägt dabei mehr zur Förderung dieser faszinierenden und wichtigen Tiergruppe bei als das Aufstellen weiterer Honigbienenvölker.
Hier erfahren Sie mehr darüber, wie Sie selbst aktiv etwas für Wildbienen tun können.
Foto: Westliche Honigbiene (Apis mellifera); Credit und Copyright: Judy Gallagher / CC BY 2.0 Lizenz / Link zum Original